33. Von der Altstadt ins Austrian Hospiz


Es ist kurz nachdem die Sonne hinter dem Mt. Scopus untergegangen ist, als ich mich am Abend eines meiner Besuche in Jerusalem auf den Weg in die Altstadt mache. Das ursprüngliche Zentrum mit vier Stadtteilen, die nach seinen Bewohnern muslemisches, jüdisches, armenisches und christliches Viertel benannt sind, hat seinen besonderen Reiz. Eine ganz andere Welt empfängt mich dort, nicht die Betonklötze und die mehrspurigen Straßen einer Großstadt. Es ist eine fremde Atmosphäre, getaucht in ein schummrig-romantisches fast gespenstisches Licht und es sind die Sehenswürdigkeiten, die Gerüche und Geräusche, die mir bereits beim ersten Besuch einen bleibenden Eindruck dieser Stadt vermitteln.

Altstadt am späten Abend

Die Entscheidung anstatt des bekannteren Damaskustores, das Herodestor als Eingang zu benutzen, war eine weniger kluge. Der geplante Weg führt mich bereits zu Beginn nur auf Umwegen vom muslimischen ins jüdische Viertel. Das Zeitgefühl kommt mir abhanden und die Vorstellung römische Legionäre, ihre Sklaven und Feldherren, in Sänften getragen, beleben die Gassen. Fast nimmt dieses Bild realistische Formen an. Der verursachte Lärm damals auf dem immer noch vorhandenen Kopfsteinpflaster ist mit Sicherheit ein wesentlich stärkerer gewesen, als ich ihn jetzt antreffe und diese Tatsache katapultiert mich auch gleich wieder in die Wirklichkeit. Die Gassen sind dunkel und jeder Blick ins Licht ist ein ungewohnter. Ich verwechsle private Korridore mit den öffentlichen Wegen und nur der düstere Blick eines Bewohners offenbart mir meine Unachtsamkeit. Dieser würde meine Frage nach dem Rezept seines Abendessens, wenn er es denn wüsste, sicher nicht preisgeben. Die Ruhe nach einem Arbeitstag und den familiären Alltäglichkeiten sind ihm wichtiger und … sie sei ihm gegönnt. Deshalb muss für meine Ergänzung einmal mehr Ottolenghi herhalten mit etwas äußerst schmackhaftem: Korma mit Tofuklösschen. Es kostet etwas Zeit, lohnt sich jedoch und die dem Gericht eigene Duftnote, sowohl beim Kochen, als auch beim anschließenden Genießen ist eine besondere und erinnert mich jedes Mal an die Suks in Jerusalem.

Korma

  • 1 rote Zwiebel in dünne Scheiben geschnitten in 2 EL Zitronensaft mind. 1 Std. marinieren (zum Garnieren)
  • 40 g Cashewkerne
  • 20 g abgezogene Mandeln
  • 1 TL Kardamom
  • je 2 TL Kreuzkümmelsamen und Korianderkörner
  • 3 EL Olivenöl
  • 1 große Zwiebel grob gewürfelt
  • 4 Knoblauchzehen zerdrückt
  • 15 g Ingwer gerieben
  • 1 grüne Chilischote ohne Kerne gehackt
  • 1 Zimtstange
  • 1 TL Kurkuma
  • 200 g passierte Tomaten
  • Salz und schwarzer Pfeffer
  • Korianderblätter zum Garnieren

Cashewkerne und Mandeln mit Wasser bedeckt bei mittlerer Hitze 20 Minuten köcheln lassen, abtropfen. Kreuzkümmel und Koriander im Mörser fein zerstoßen. In einer großen Pfanne 1 1/2 EL Öl erhitzen, die Zwiebelwürfel 10 Minuten braten und zusammen mit den abgetropften Cashewkernen, den Mandeln und 200 ml Wasser im Mixer glatt pürieren. Die anderen 1 1/2 EL Öl in die Pfanne geben, Knoblauch, Ingwer und Chili darin 1 Minute braten, dann mit den Gewürzen (Kardamom, Kreuzkümmel, Koriander) eine weitere Minute braten, die passierten Tomaten dazu geben und in ca. 4 Minuten dick einkochen. Jetzt das Zwiebel-Nuss-Püree, 500 ml Wasser, die Zimtstange, das Kurkuma, 1 1/2 TL Salz und eine kräftige Prise Pfeffer hinzufügen. Zum Köcheln bringen und bei mittlerer Hitze in ca. 25 Minuten um ein Drittel einkochen.

Tofuklösschen

  • 2 EL Olivenöl
  • 250 g braune Champignons in 5 mm Scheiben geschnitten
  • 200 g fester Tofu
  • 3 zerdrückte Knoblauchzehen
  • 150 g Seidentofu
  • 2 EL Tahini
  • 1 EL Sojasauce
  • 30 g Semmelbrösel
  • 1/2 TL Speisestärke
  • 5 Frühlingszwiebeln in feine Scheiben geschnitten
  • 10 g fein gehacktes Koriandergrün

Das Öl in einer großen Pfanne stark erhitzen, Temperatur etwas herunter schalten und die Pilze und den in Stücke geteilten Tofu in ca. 8 Minuten etwas Farbe annehmen lassen. Knoblauch dazu geben, 30 Sek. rühren und die Pfanne vom Herd nehmen. Pilze und Tofu im Mixer grob zerkleinern, mit den restlichen Zutaten, Salz und einer kräftigen Prise Pfeffer in einer Schüssel gut vermischen. Mit geölten Händen etwa 16 Kugeln formen (pro Kugel ca. 40 g), gut zusammen drücken und auf einem mit Backpapier belegten Blech bei 200 Grad Umluft ca. 25 Minuten backen bis sie leicht gebräunt sind. Nun noch für 5 Minuten in der Sauce erwärmen und vor dem Servieren mit gehacktem Koriandergrün und den roten Zwiebeln garnieren.

Weiter geht es zu später Stunde durch das armenische ins christliche Viertel. Es sind zuviele Punkte, angefangen von den Eingangstoren in die Altstadt über die Kirchen unterschiedlichster Religionen, den Synagogen, den Baudenkmälern aus einer mehr als tausend Jahre alten Geschichte, die es lohnen besichtigt und näher erforscht zu werden. Um mir zumindest einen kleinen Überblick zu verschaffen, nehme ich mir für die nächsten Tage einen Spaziergang auf der Altstadtmauer vor. Er verläuft vom Jaffator bis zum Löwentor und in die andere Richtung bis zum Misttor. Was ich bei meinem spätabendlichen Spaziergang in der Old City nicht mehr antreffe, sind die geöffneten Läden des Suk. Auch dieser bunte chaotische Teil Jerusalems ist es wert, besucht zu werden und ich beschließe dies für den morgigen Tag.

Los geht es am Löwentor und als erstes komme ich in die St.-Anna-Kirche. Sie wurde bereits im 12. Jahrhundert an der Stelle errichtet, wo man sowohl nach christlicher als auch islamischer Überlieferung das Elternhaus von Maria vermutete. Das ehemals christliche Gotteshaus diente 700 Jahre als Moschee und das benachbarte Benediktinerinnenkloster wurde zur Koranschule umfunktioniert. Als Dank für die französische Unterstützung beim Krimkrieg schenkte Sultan Abdul Ülmecit sie 1856 Napoleon III.

Weiter spaziere ich durch das Areal der ehemaligen Antonia-Festung. Titus, die Seleukiden aber auch Herodes und Pilatus haben hier ihre Spuren hinterlassen.

Franziskanermönche auf dem Kreuzweg

Auf der Via Dolorosa, mitten durch den Suk, vorbei an israelischen Wachsoldaten, arabischen Souvenierhändlern und Touristen, bahnen sich jeden Freitag Pilgergruppen, das Kreuz von Station zu Station tragend, ihren Weg zur Grabeskirche. Jesus soll hier, der Überlieferung zufolge, nach seiner Verurteilung bis zur Hinrichtungsstätte Golgatha gegangen sein.

Frömmigkeit, Kultur und profaner Kommerz liegen hier sehr nahe beieinander. Ich habe nach den ersten beiden einfach Lust aufs Einkaufen mit dem im Orient typischen Handeln und lautstark Gestikulieren. Die kritischen Bemerkungen der Händler bei der Kreuzwegprozession sind schnell vergessen und ich leiste mir einiges an Schätzen – nicht ohne zu handeln. Dieses bunte und laute Treiben heute ist nicht vergleichbar mit meinen gestrigen Eindrücken – beides jedoch ist die Old City.

Ausklingen soll dieser Tag im Österreichischen Hospiz. Ich klingle an der schweren Holztüre, werde eingelassen und … befinde mich plötzlich in einem Haus mit dem Flair der Donaumonarchie. Nach der Hektik der Altstadt, aber mittendrin eine Oase der Ruhe. Diese Pilgerstätte (die auch andere Gäste aufnimmt) hat zudem einen wunderschönen grünen Garten, eine herrliche Dachterrasse und ein vielfältiges Angebot aus der österreichischer Küche, die vom Wiener Schnitzel bis zum Apfelstrudel keinen Wunsch offen lässt. Der Muezzin ruft, die Kirchenglocken läuten und meine Melange mit einem Stück Sachertorte schmeckt wunderbar.

Eine literarisch-musikalische Pilgerreise aus dem 15. Jahrhundert, vorgetragen von Lehramtsstudenten und ihren Lehrern aus Bamberg, wartet noch auf mich. Sie sind Gäste des Hospiz und die Unterhaltung mit ihren Begleitern, zwei katholischen Theologen, beschließt diesen Besuch und ich mache mich auf den Heimweg.

Nach den geschilderten für mich reichhaltigen Eindrücken – für die Fülle der vorhandenen Relikte wieder mal nur Fragmente – mache ich eine kleine Pause bevor ich mich im nächsten Beitrag am 28.10. auf die Altstadtmauer begebe und das heutige Stadtmuseum besuche.

Bis dahin Shabbat Shalom


Eine Antwort zu “33. Von der Altstadt ins Austrian Hospiz”

  1. Deine Schilderung vermittelt ein sehr lebendiges Bild der Altstadt, ergänzt durch die Phantasie, wie wohl die gut gewürzten Gerichte schmecken. Ansonsten zeigt der Abschluß Deines Berichtes wie kleine die Welt ist … oder 🙂 FRANKEN ist überall 🙂

    PS: „Triangle of Sadness“ (gesehen gestern im Kino) ist sehr empfehlenswert, trotz des etwas langatmigen Beginns, der sich dem Zuschauer erst später erschließt; aber danach geht es Schlag auf Schlag, die Superreichen werden entlarvt und es wird auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben verwiesen.

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