
Der Duft von Jasmin und Pelargonien umweht meine Nase und ich freue mich auf einen sonnigen Tag in den alten Gassen und deren buntes Treiben. Neben der Erlöserkirche finde ich einen Platz an der Sonne, einen ersten Kaffee und kann hier sowohl den Kirchenglocken, als anschließend auch dem Muezzin lauschen.
Das Gelände, auf dem ich meine erste Rast einlege, hat – wie so vieles hier – eine interessante, historische Bedeutung: Karl der Große, ebenso fromm wie ehrgeizig, sah sich u. a. als moderner König David. Als solcher mussten sich seine Bestrebungen natürlich neben dem Römischen Reich auch auf die Heilige Stadt ausdehnen. Angeblich erhielt er am Tag seiner Krönung von einer Delegation des Patriarchen von Jerusalem die Schlüssel zum Heiligen Grab. Christliches Vermögen in Jerusalem wurde erfasst und unter seinen Schutz gestellt. Karl der Große – der nie selbst in Jerusalem war – bezahlte die gesamten Kopfsteuern für die Christen der Stadt. Im Gegenzug erlaubte der damalige Landesherr Kalif Harun el-Raschid dem Frankenkaiser den Bau eines christlichen Viertels um das Heilige Grab mit Kloster, Bibliothek und Pilgerherberge. Auf dem Gelände steht heute die 1898 von Kaiser Wilhelm II. eingeweihte Erlöserkirche.
Wie bereits in meinem 25. Beitrag angekündigt, will ich heute – etwas ausführlicher auf das Fest der Bäume zurückkommen – auch wenn wir momentan Herbst haben und auf den nächsten Frühling noch etwas warten müssen.
Ich breche bei meinem erneuten Besuch im späten Frühling nach Jerusalem auf und kann daher nicht bestätigen, ob Tu biSchevat tatsächlich mit dem Ende der Regenzeit zusammen fällt. Es scheint jedoch so zu sein, da gerade dieses Fest das Blühen Israels symbolisiert und damit all seine wunderbaren Früchte erahnen lässt. Bäume spielten bei der Besiedlung des Heiligen Landes immer eine große Rolle – auch deshalb, weil vom Mittelalter an durch rigorosen Raubbau an den kargen Wäldern wenig Bestand vorhanden war. Baumpflanzaktionen, wie sie an Tu biSchevat erfolgen, sind also eine notwendige und sehr sinnvolle Maßnahme um die Erosion des Bodens zu verhindern, die Feuchtigkeit aufrecht zu erhalten und zusätzlich Schatten und Augenweide für uns Menschen zu sein. Eine talmudische Geschichte erzählt von einem jüngeren Mann, der einem älteren beim Pflanzen zusieht und ihn fragt, ob es nicht ein etwas unkluges Unterfangen sei, einen Baum zu pflanzen, dessen Früchte er nie wird essen können. Der Alte erwidert: So wie für mich gepflanzt wurde, so pflanze ich für spätere Generationen. Diese alte Geschichte sagt uns auf eine sehr einfache Weise, was Nachhaltigkeit bedeutet.
An diesem Geburtstag der Bäume wird nicht nur gepflanzt, sondern auch gegessen: traditionell Früchte und Fruchtsalat. In der Diaspora ist es Brauch möglichst 15 verschiedene Früchte, die an das Land Israel erinnern, aufzutischen.
Das Verzehren von Baumfrüchten gehört zu Tu biSchevat wie Festgelage und Freude zu Purim. Bevor wir jedoch „Karneval“ feiern und den Festtag zu Ehren der Bäume hinter uns lassen, der heute auch oft als „Tag Israels“ bezeichnet wird, ein fruchtiges Rezept:
Gratinierter Obstsalat

- 500 g Früchte (bei mir sind es Brombeeren, Himbeeren, Kiwi, Äpfel), waschen und in etwa gleich große Stücke schneiden
mit 2 EL Zitronensaft und etwas Zucker (nach Geschmack) mischen und ca. 10 Minuten durchziehen lassen. In der Zwischenzeit
- 2 Eier
- 60 g Zucker
- 200 ml halbtrockenen Weißwein oder weißen Traubensaft
- 4 EL Mandellikör (kann mit Wasser ersetzt werden)
- 10 g Speisestärke
- Abrieb von 1/2 unbehandelten Zitrone
Alles in einem hohen Topf verrühren und erhitzen (nicht kochen) und währendessen mit dem Schneebesen dick schaumig schlagen. Vom Herd nehmen und weitere 2 Minuten schlagen. 40 g gemahlene Mandeln unterheben und über die auf Förmchen verteilten Früchte geben. Mit Mandelblättchen bestreuen und unter dem vorgeheizten Grill 2-3 Minuten gratinieren. Mit Melisse verziert servieren.

Nach diesem gedanklichen Ausflug ins Land der Bäume führt mich der Spaziergang heute Richtung Ölberg (In diesem Zusammenhang erinnere ich an die Beiträge Nr. 18 und Nr. 22), vorbei am Grab Marias, dem ihrer Eltern und Josefs, geht es in den Garten Gethsemane (=Ölpresse). Hier befand sich zu Zeiten Jesu ein Gehöft mit einer Olivenplantage. Die zwischen 1919 und 1924 darin erbaute Kirche der Nationen mit ihrer besonderen Geschichte empfinde ich als einen wunderbaren Ort der Besinnung und inneren Einkehr.

Bevor ich an der russisch-orthodoxen Maria-Magdalena-Kirche vorbei komme mit den sieben vergoldeten Kuppeln, der Franziskaner-Kapelle Dominus Flevit (= der Herr hat geweint) und den Prophetengräbern zur Aussichtsterrasse, ein Rezept, welches die russischen Juden mit nach Israel gebracht hatten:
Russischer Borschtsch
- 1 Karotte
- 1 kleines Stück Sellerie
- 1 Stange Lauch
- 2-3 Knoblauchzehen
- 750 g Rindfleisch (z. B. Beinfleisch)
- 1 Handvoll getrocknete Pilze
- 5-6 Wacholderbeeren
- 1,5 kg Rote Bete
- 200 g Weißkraut
- 750 ml Rote Bete Saft
- Pfeffer, Salz, Zucker
- 2 EL Zitronensaft
Gemüse putzen und klein schneiden, Fleisch waschen, salzen und in einen großen Topf mit kaltem Wasser legen. Gemüse, Pilze und Wacholderbeeren dazu geben, aufkochen und den aufsteigenden Schaum abschöpfen, ca. 1 Stunde köcheln lassen bis das Fleisch weich ist. Bereits vorgekochte Rote Bete schälen und fein hobeln, ebenso das Weißkraut. Zusammen mit dem Rote Bete Saft in den Topf geben und eine weitere 1/2 Stunde zugedeckt köcheln lassen. Das Fleisch heraus nehmen sobald es weich ist, in kleine Stücke schneiden und zurück in die Suppe geben, mit Salz, Pfeffer, Zucker und Zitronensaft abschmecken. Mit etwas Petersilie bestreut und Schwarzbrot servieren.

Wie Briten, Österreicher, Deutsche, Franzosen und Italiener, strömten auch russische Pilger im 19. Jahrhundert nach Jerusalem.
Auf dem Gelände des heutigen „Russian compound“ errichtete der Zar im 19. Jahrhundert mit ausschließlich russischen Baumaterialien einen ganzen Gebäudekomplex. Während die Juden in Russland vom Staat verfolgt wurden, stellte der russische Konsul die jüdischen Einwanderer als Untertanen des Zaren unter seinen Schutz. Wieder mal eine sehr paradoxe Variante in der Historie.
In den 1950er Jahren „bezahlte“ der Staat Israel die Rechte an den Gebäuden des „Russian compound“ an die Sowjetunion unter anderem mit einer Schiffsladung Orangen. Wobei wir wieder bei den Früchten Israels sind.
Etwas über das ausschließlich fröhliche Fest Purim und die Geschichte von Mordechai, der hübschen Adoptivtochter Esther und dem bösen Haman zusammen mit den Haman-Taschen finden Sie in meinem nächsten Beitrag.
Shabbat Shalom