Es ist ein besonderes Gefühl, das erste Mal von Tel Aviv aus langsam die Hügel hinauf ins judäische Bergland nach Jerusalem (ירשה = jeruscha unterscheidet sich zwar in Schrift, doch die Bedeutung des Wortes, „Erbe“, dünkt mir nur zu passend, auch wenn עיר שלם, oder „Stadt des Friedens“ der etymologischen Wahrheit näher kommen wird) zu fahren. Schnell lassen wir die gigantischen Hochhäuser hinter uns, Obstplantagen, Gemüseanpflanzungen auf einem dunklen fruchtbaren Ackerboden und die Bahngleise auf der anderen Seite begleiten uns. Die Bahnstrecke Tel Aviv – Jerusalem wurde 2018 fertiggestellt und die 56 km werden in 34 Minuten mit einer Geschwindigkeit bis zu 160 km/h zurückgelegt. Für uns, die wir mit dem Auto unterwegs sind, geht es die gut ausgebaute Straße von der Ebene hinauf in bewaldetes Gebiet, das sich allmählich in eine karge mit wenigen niedrigen Büschen bewachsene Landschaft verwandelt. Die Strecke verläuft mittlerweile in einem Einschnitt und ist beidseitig gut befestigt. Nach dem letzten steileren Stück und einer langen Kurve sehen wir die ersten Trabantenstädte auf einigen der vielen Hügel, auf denen sich die Stadt erstreckt.

Es ist Abend und die Stadt empfängt uns, getaucht in ein goldenes Licht. Der weißliche Kalkstein aus dem die ganze Stadt gebaut ist, leuchtet warm in der untergehenden Sonne.

„Ist Jerusalem schön?“ fragt der Reiseschriftsteller Wolfgang Büscher in seinem empfehlenswerten Büchlein „Ein Frühling in Jerusalem“ und hat eine sehr passende Antwort parat: „Oh ja, aber seine Schönheit zeigt sich nicht jedem und nicht umsonst. Jerusalem ist eine orientalische Frau. Wer sie sehen will, muss erst durchs Dunkel wandern, lange durch obskure Tunnel irren, durch Gänge und Gewölbe, auf den Abend warten. Den richtigen Moment finden, die richtige, unscheinbare Tür oder Treppe.“
Nun – es ist soweit –
wir sind angekommen in Jerusalem, der Stadt, die Frieden (wie schon erwaehnt Ir Schalem עיר שלם= Stadt des Friedens und arabisch Al-Quds = die Heilige) erlebt hat, aber um derentwillen auch viele blutige Kriege geführt wurden. Ich kann der vielfältigen Geschichte hier nicht gerecht werden, es gibt zu vieles über sie zu erzählen. Wer tiefer eindringen möchte in die Historie, dem sei das Werk Simon Sebag Montefiores „Jerusalem, Die Biographie“ ans Herz gelegt.
Ein klein wenig eintauchen und damit die Neugier auf mehr wecken – das kann ich. Ich beginne bei den frühesten Spuren im 4. Jahrtausend v. Chr. und gehe weiter zu Abraham אברהם, dann David דוד, der die Stadt 1000 vor Chr. eroberte, seinen Sohn Salomon סלומון, der den ersten Tempel gebaut hat bis zu dessen Zerstörung, zum erneuten Bau und wiederum Zerstörung des zweiten Tempels. Makedonier, Makkabäer, Römer, Griechen, Byzantiner, Perser, Omaijaden (Kalif Muawiya – arabischer Cäsar), Abbasiden, Fatimiden, Outremer, Kreuzritter, Ayyubiden (Saladin), Mamelucken, Osmanen und noch viele mehr hinterließen ihre Spuren. Heute leben jüdische Einwanderer aus aller Herren Länder zusammen mit Palästinensern in dieser bis heute von politischen und religiösen Konflikten gezeichneten Stadt.
Lt. der jüdischen Überlieferung begann auf dem Tempelberg in Jerusalem die Schöpfung der Welt. Hier soll Adam אדם erschaffen, hier soll auch der erste Mensch=אדם begraben worden sein. Kain und Abel brachten hier Opfer dar, Noah war hier, ebenso Abraham, welcher anstelle seines Sohnes auf dem Tempelberg einen Widder opferte. David machte Jerusalem zur Hauptstadt und sein Sohn Salomon schließlich baute den ersten Tempel, den die Babylonier 587 vor Chr. zerstörten. Nach der Rückkehr aus der babylonischen Gefangenschaft wurde bis 520 v. Chr. der zweite, bescheidenere Tempel errichtet. Der jüdische König Herodes von römischen Gnaden (37 vor – 4 nach Chr.) erneuerte das Heiligtum nochmal bis es 70 nach Chr. durch die Römer endgültig zerstört wurde. An seiner Stelle entstand die Marienkirche.
Mohammed, der Gründer des Islam, ritt der muslimischen Überlieferung nach auf seinem Pferd Al Burak von Mekka nach Jerusalem, band es an der Klagemauer fest und stieg vom Tempelberg auf in den Himmel. Sein Nachfolger Kalif Omar eroberte 638 Jerusalem, wiederum dessen Nachfolger Kalif Abd al-Malik ließ nach dem Vorbild der Grabeskirche einen ebenso prächtigen Dom über dem Felsen auf dem Tempelberg, den Felsendom, bauen. Wiederum dessen Sohn Al-Walid machte die Marienkirche zur Aqsa-Moschee.
Im gegenüberliegenden Garten Gethsemane am Fuße des Ölberges verbrachte Jesus seine letzte Nacht vor der Kreuzigung. Der Ölberg ist eine der heiligsten Stätten von Christen und Juden. Aber auch gläubige Moslems wollen, ebenso wie ihre christlichen und jüdischen Brüder und Schwestern, ihre letzte Ruhestätte dort finden. Sie alle glauben bei der Ankunft des Messias, dort als erste auferstehen zu können. Gläubigen Juden in der Diaspora legt man deshalb nach ihrem Tod beim Begräbnis ein Säckchen Erde aus dem Heiligen Land unter den Kopf.

Wen wundert es da, dass sich 3 Weltreligionen um diese Stätte streiten.
Der heutige Nahostkonflikt nahm seinen Anfang in Jerusalem als 1920 die muslimischen Feierlichkeiten zu Ehren Nabi Musas (Prophet Moses), Pessachfest und Ostern zusammenfielen. Tausende von Pilgern, Soldaten, enttäuschte Araber aufgrund der Balfour-Deklaration, erzeugten eine aggressive Stimmung und sowohl Juden, Araber, als auch britische Soldaten zählten schließlich zu den Opfern der Zusammenstöße. Aus einem ursprünglich religiösen und gesellschaftlichen Ereignis wurde ein Kampf um das „heilige“ Jerusalem. Religion und Politik wurden zu einer „unheiligen“ Gemengelage.
Der Tempelberg (Berg Moriah הר הבית=Berg des Hauses) mit dem Felsendom, der Al Aksa Moschee und der Klagemauer als letztes Überbleibsel des Tempels ist bis heute Zankapfel sowohl der weltlichen, als auch der religiösen Führer.
Als ein kleines Beispiel für viele Ungereimtheiten innerhalb der arabischen Welt im Konflikt um Jerusalem erscheint mir die einstige Absicht des Großmuftis. Er und die Teilnehmer der ersten allgemeinen islamischen Konferenz verkündeten bereits 1931, eine islamische Universität als Gegengewicht zur hebräischen in Jerusalem errichten zu wollen um damit den arabischen Anspruch auf Jerusalem zu verdeutlichen. Sie sollte im Zentrum, wo sich heute der Unabhängigkeitspark und ein muslimischer Friedhof befinden, errichtet werden. Als die Ägypter vom Ausmaß dieses Projekts erfuhren, fürchteten sie für die Al-Azhar Universität in Kairo eine drohende Konkurrenz und stellten die Spendengelder ein, und jegliche weitere Planung wurde damit hinfällig. Heute ist auf dem gleichen Areal ein „Toleranz“-Museum geplant, was sowohl von jüdischen als auch muslimischen Aktivisten in den USA Protest hervor ruft, da muslimische Gräber geschändet werden würden. Wenige Jahrzehnte vorher wäre das gleiche Gebiet für die arabische Universität von derselben Bevölkerungsgruppe freigegeben worden. Heute spricht man den Imamen von damals einfach die Fachkompetenz ab.
Seit 1984 hat Jerusalem neben der hebräischen auch eine palästinensische Universität, die viele Jahre von Herrn Nusseibeh, einem umsichtigen Philosophieprofessor und Politiker geleitet wurde. Sie umfasst mehrere Standorte, hat jedoch ihr Hauptbüro in Ostjerusalem. Unter den diversen Fakultäten genießt besonders die medizinische in der arabischen Welt einen ausgezeichneten Ruf. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen mit der israelischen Regierung, die, erst nach einer Intervention durch die damalige amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice, auf den Bau einer Schutzmauer mitten durch das Universitätsgelände verzichtete.
Nicht nur in der arabischen Welt gibt es Beispiele wie das obige. Eine Ungereimtheit in der christlichen Welt zeigt die folgende Geschichte aus jüngster Zeit: Aramäische Christen in Istanbul brauchten ein neues Gotteshaus. Ihnen wurde von den türkischen Behörden ein Grundstück zugewiesen, bei dem es sich teilweise um einen früheren katholischen Friedhof gehandelt hat. Katholische Kirchenvertreter mussten jahrelang gegen ihre Glaubensbrüder auf Herausgabe des Grundstücks klagen und verzögerten damit den Bau einer katholischen Kirche. Erst der vatikanische Botschafter in der Türkei konnte Jahre später eine Lösung des Konflikts von Christen gegen Christen herbei führen. Muslime hatten den Kirchenbau längst bewilligt, der 2019 doch noch erfolgen konnte.
Die Neugier auf mehr (es gibt so viel mehr interessantes über die Stadt zu erfahren) habe ich nun hoffentlich geweckt und darf wieder von den geistigen auf die kulinarischen Highlights kommen. Ich habe die folgenden Spieße in den Suks (der wohl bekanntest Markt=Suk=שוק, der Mahane Yehuda befindet sich ausserhalb der alten Stadtmauern im Westteil der Stadt) der Altstadt gegessen und es war mit den Beilagen und einem erfrischenden Getränk ein ausgezeichnetes Menü.


Tofu-Spieße
- 200 g Tofu
- Sojasauce
- je 1 rote und gelbe Paprikaschote
- 2 kleine Zucchini
- einige braune Champignons
- Salz, Pfeffer
- Ras el-Hanout (Gewürzmischung)*
Tofu in Würfel schneiden und in der Sojasauce mindestens 1 Stunde marinieren. Inzwischen Paprika in gleich große Stücke schneiden, Champignons putzen und alles abwechselnd auf Holzspieße (diese wenn sie gegrillt werden vorher 30 Minuten in Wasser einweichen) stecken, nach Geschmack würzen und unter mehrmaligem Wenden grillen.
*Ras el-Hanout ist eine individuelle Mischung des jeweiligen Händlers. Ich habe sehr unterschiedliche Geschmacksnoten gekauft und sie sind variabel verwendbar, sollten aber vorher probiert werden.
Bulgur (Blog-Beitrag Nr. 13 oder Rezept von Blog-Nr. 16 ebenso geeignet)
- 50 g feiner Bulgur
- 25 g Sultaninen
- etwas Koriander-grün zum Bestreuen
- 10 g gehackte Minze
- 6 grüne Oliven ohne Stein, halbiert
- 1 EL geröstete Mandelblättchen
- 2 klein gehackte Frühlingszwiebeln
- 1 ½ EL Zitronensaft
- 40 ml Oliven-Öl
- 120 g griechischer Jogurt
Den Bulgur in einer Schüssel mit 140 ml kochendem Wasser übergießen.
Die Sultaninen 10 Minuten in 50 ml warmem Wasser einweichen, anschließend abgießen und mit 40 ml Oliven-Öl zu dem Bulgur geben. Kräuter, Oliven, Mandelblättchen, Frühlingszwiebeln und Zitronensaft hinzufügen, mit 1 Prise Salz würzen, alles gut durchmischen und nochmal abschmecken. Jogurt dazu servieren.
Bevor ich Ihnen/Dir ein schönes Wochenende bzw. Schabbat Shalom wünsche, noch ein süßer Abschluss:
Mandel- oder Walnusstorte (aus einem alten israelischen Kochbuch)
- 10 Eier (Gew.Kl. M)
- 250 g Zucker
- Saft und Schale einer unbehandelten Zitrone
- je 150 g gemahlene Mandeln und Walnüsse
- 1 Prise Salz
- 2 gehäufte EL Brösel
- etwas Öl und weitere gemahlenen Nüsse für die Form
Eigelb, Zucker, Saft und Schale der Zitrone cremig rühren, anschließend die Nüsse dazu geben. Abschließend das mit der Prise Salz steif geschlagene Eiweiß vorsichtig darunter heben.
Eine Springform ölen/einfetten und mit Bröseln oder geriebenen Nüssen ausstreuen.
Bei 180 Grad im vorgeheizten Ofen 40 – 50 Minuten backen. Mit einem dünnen Holzstäbchen kontrollieren, ob sie fertig ist (der Teig darf nicht mehr am Hölzchen kleben) und gleich aus dem Ofen nehmen. Vorsicht, nicht zu dunkel werden lassen, evtl. die letzten 15 Minuten mit Alufolie abdecken.
